In der kleinen Küche gehts hoch her. Sechs Kinder gruppieren sich um den großen Tisch, jeder ein Schneidebrettchen und ein Messer vor sich – ein richtiges, so eines, zum Äpfelschneiden. Und genau das machen sie jetzt: Äpfel schnibbeln. Klingt banal, ist für so manches Kind aber ganz und gar nicht alltäglich.
„Viele Kinder kennen Essen nur aus der Mikrowelle,“ weiß Waltraud Ulshöfer, aus dem Vorstand von Junior Slow Stuttgart, einem Verein, der aus der Slow-Food-Bewegung heraus entstand. Und genau darum haben sie, Claudia Allmendinger, Markus Wagner und Gabi Kircher das Slow Mobil auf die Räder gestellt: Damit Kinder wieder lernen, was Essen ist. Und alles, was zum Essen so dazugehört: kochen, schnibbeln, Tischdecken, gemeinsam essen und genießen, aufräumen. „Wir vermitteln nicht einfach Ernährung. Wir vermitteln Esskultur“, so Markus Wagner.
Das Slow Mobil Stuttgart ist nicht das erste seiner Art – bereits in Freiburg, Karlsruhe, Frankfurt/M und München rollt ein Slow Mobil durch die Stadt. Der kleine LKW – in den anderen Städten ein Anhänger, das ging in Stuttgart nicht – ist mit einer Küche und einem recht großen Tisch ausgestattet. Die Wände sind in frischen, hellen Farben gehalten, was die Frische der Lebensmittel aufgreifen solle, so Architektin Claudie Allmendinger. Sechs bis acht Kinder im Alter von sechs bis 12 Jahren können in dem kleinen LKW kochen. Dazu kommt noch eine pädagogische Fachkraft, die nicht nur kochen kann, sondern auch mit Kindern umzugehen weiß. Diese Woche stand das Slow Mobil in der Rosensteinschule in Stuttgart-Nord. Wer sich für das Projekt interessiert, kann die rollende Küche einfach online buchen.
Saisonal – was heißt das eigentlich?
Einen Vormittag lang erfahren die Kinder im Slow Mobil, was frische Lebensmittel eigentlich sind, wie rohes Gemüse riecht und schmeckt, wie viele verschiedene Getreidesorten es gibt. Gemeinsam entwickeln alle ein Rezepte, das auch alle gemeinsam zubereiten. Die Zutaten sind alle marktfrisch, regional, saisonal. „Allein das wissen viele Kinder gar nicht: Was hat wann Saison und was bedeutet das eigentlich“, so Waltraud Ulshöfer. „Ganz abgesehen davon, wie rohes Gemüse schmeckt.“
Genau da will Junior Slow mit dem Slow Mobil ansetzen: Am Wissen. Und am Geschmack. „Wer mehr weiß, der schmeckt auch mehr. Und Geschmack ist das beste Argument für gesundes Essen“, sagt Ulshöfer. Neben Wissen, Geschmack und Regionalität zählen natürlich auch Gesundheit und Gemeinschaft zu den Säulen des Projekts. Gerade letzteres, die gemeinsame Mahlzeit, gehe immer mehr verloren. „Wir decken den Tisch mit den Kindern, dekorieren ihn schön und essen alle gemeinsam“, erklärt Ulshöfer. „Die besten Gespräche entstehen schließlich während der gemeinsamen Mahlzeit.“
Ohne Spenden und Sponsoren ginge nichts
Weil so ein Projekt nicht mal eben so aus dem Boden gestampft ist, unterstützt die Bürgerstiftung Stuttgart das Slow Mobil. 150 Kinder wählten bei der Kindertaler Jury der Bürgerstiftung das Slow Mobil zum Gewinnerprojekt mit 10.000 Euro Sofortförderung. 70.000 Euro gab die Stiftung für den Erwerb des LKWs. Am 9. April, gut eineinhalb Jahre später, rollte dieser zum ersten Mal über Stuttgarts Straßen zur Slow-Food-Messe.
Das Projekt soll nachhaltig bestehen, die Initiatoren wollen etwas bewirken. Und sie finden immer mehr Unterstützer und Sponsoren. „Mittlerweile kamen über die Brotkörbchenaktion in mehreren städtischen Restaurants gut 45.000 Euro zusammen, die die laufenden Kosten des Projekts decken“, berichtet Nicole Scholl von der Bürgerstiftung. Und Ulshöfer betont: „Wir brauchen diese Spenden auch unbedingt, denn für die Kinder soll das Slow Mobil kostenlos bleiben. Das ist uns sehr wichtig.“ Lediglich die Institution, die das Mobil bucht, zahlt 150 Euro für die Anfahrt. Alles weiteren Kosten trägt der Verein, egal, wie lange auf dem Schulhof, vor der Kita oder im Ferienheim dann gekocht wird.
Gesund UND lecker – ja das geht
Die Kinder um den Tisch im LKW sind fertig mit schnibbeln. Gibts bei so was Gesundem denn auch einen Nachtisch? „Klar“, ruft eines der Kinder. „Smoothies.“ Passt zur warmen Jahreszeit. Und schmeckt selbstgemacht noch viel besser als gekauft.
Weitere Infos: www.slow-mobil-stuttgart.de, www.junior-slow.de
Bildnachweis: Robert Thiele (für die Bürgerstiftung Stuttgart)
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