Eichelmanns 800 Champagner

Das Doppelwerk von Gerhard Eichelmann ist seit einiger Zeit am Markt, so daß diese Besprechung nicht sehr überraschend erscheint. Wir wollen uns im folgenden um das etwas unscheinbarere Begleitwerk kümmern, das 800 Champagner bewertet und kommentiert. In diesem Bereich ist das schlimmste Defizit auf dem deutschen Buchmarkt auszumachen, aktuelle Champagnerverkostungsguides gibt es nämlich nicht so ohne weiteres.

Herrn Eichelmann ist deshalb vorab für die gar nicht so leichte Arbeit zu danken, gleichzeitig muß vorweg geschickt werden, daß sich in seinem Büchlein nicht viel findet, was interessierten Lesern nicht ohnedies aus einschlägigen Publikationen des französischen Sprachraums, aus Internetforen oder vom Besuch der Champagne bekannt wäre.

Das ist nicht weiter schlimm, denn die getroffene Auswahl ist insegesamt überzeugend: es finden sich so anspruchsvolle Winzer wie Benoit Tarlant, Francis Boulard und Francoise Bedel neben den Showgrößen des big business, das von einigen wenigen Häusern gemacht wird. BCC ist da zu nennen, aber auch Vranken-Pommery Monopole. LVMH darf nicht fehlen und die namhaften Genossenschaften mit Feuillatte, Jacquart, Devaux, Mailly natürlich auch nicht. Dazwischen finden sich die Perlen de Sousa, Jacquesson, Pierre Peters, Egly-Ouriet und Selosse, nebst zahlreicher anderer, oft in Deutschland geradezu unbekannter Winzer.

Schon der grobe Überblick zeigt also, daß für jeden Geschmack etwas dabei ist.

Das Büchlein ist auch mit informativen, stark, aber gut komprimierten Texten zu aktuellen Trends (Rosé, Dosierung, Holz) und Rebsorten (über das nur scheinbare Dreigestirn Chardonnay, Pinot Noir, Pinot Meunier hinaus) ausgestattet. Löblich ist zudem, daß Herr Eichelmann Klassifikationen der besten Erzeuger und der Erzeuger mit gutem Preis-Leistungs-Verhältnis beigibt, ferner eine Liste mit den besten Champagnern nach Typen und Rebsorten. Auch der Bezugsquellennachweis ist gut, Österreich und die Schweiz werden nicht vergessen; lediglich die Karte der Champagne am Ende hätte etwas detaillierter sein können, eine ausklappbare farbige Karte würde zwar kaum in das Preis- und Gestaltungskonzept des Büchleins fallen, würde den Kampfwert aber sicher noch einmal steigern.

Etwas irritierend ist es, daß da und dort nicht ganz bis zum Schluß verkostet wurde. Angefangen bei Ayala, deren sonstiges Programm ja ganz gut wegkommt, leider fehlt mit der Perle d’Ayala das Flaggschiff, über das mehr zu erfahren sicher nicht schlecht gewesen wäre. Auch bei Paul Bara hätte man sich mehr Einblick in das Programm gewünscht, als nur die eine Verkostungsnotiz zum Grand Cru Réserve (der mit 90 Punkten aber auch nicht klagen kann). Das Haus Billecart-Salmon hat ebenfalls mehr zu bieten, als nur einen Standard Brut und den – von der sonstigen Weinwelt einhellig hoch gelobten Brut Rosé -, leider finden wir nichts zur Cuvée Nicolas Francois Billecart und zur Elisabeth Salmon (Rosé).

Bollingers verbliebene Weingärtchen aus der Präphylloxerazeit werden die wenigsten je als Flasche vor sich haben, ein paar Wörtchen darüber wären aber nett gewesen.

Sehr erfreulich ist wiederum, daß Angaben zum Gärverfahren und zur Malo-Frage gemacht werden, wo immer möglich. Verdiente Winzer wie Francis Boulard werden in angemessener Breite vorgestellt. Gerade bei Boulard fällt auch angenehm auf, daß die Dosageangaben Eichelmanns sich nicht bloß auf brut oder demi-sec beschränken, sondern – wie es von Weinliebhabern sonst als selbstverständlich angesehen wird – auf den Grammbereich genau sind. Das liegt natürlich nicht zuletzt an der Transparenz, mit der ein Winzer bereit ist, an die Öffentlichkeit zu gehen.

Bei Claude Cazals fehlt leider eine Notiz zum Clos Cazals, der, wie richtig bemerkt wird, durchaus eine kleine Seltenheit darstellt. Ob man auch den umtriebigen Comte Dampierre hätte aufnehmen können oder sollen sei dahingestellt, daß de Méric nicht fehlt, ist jedenfalls ein weiterer Pluspunkt für das Werk. Den muß man jedoch gleich schon wieder neutralisieren, wenn wenig später Delamottes Programm nicht durchgekostet und die kleine Schwester von Champagne Salon sozusagen halbnackt, ohne den ausgezeichneten Blanc de Blancs und ohne den Jahrgangschampagner dargestellt wird. Sehr bedauerlich ist auch, daß Jacques Diebolt nicht mit seiner Cuvée Prestige und seinem jüngsten Baby, der Prestigeprestigecuvée Fleur de Passion vertreten ist, sondern aus dem ohnedies schmalen Portfolio nur der Standardbrut verkostet wurde, während ein Winzer wie Doquet sich über zwei Seiten in dem schmalen Bändchen ausbreitet – nichts gegen Doquet, dessen gereifte Jahrgangschampagner auch bei Eichelmann, der sonst keine Freund dieses speziellen Genusses ist, gut, mit über 90 Punkten sogar reichlich sehr gut wegkommen.

Egly-Ouriet ist bei uns nicht so prominent wie in Frankreich oder USA, verdienstvoll wäre es gewesen, die mit im Durchschnitt über 90 Punkten bewertete Kollektion auch etwas breiter vorgeführt zu bekommen, etwa den Vignes de Vrigny oder den ebenfalls spannenden Rosé. Der Genossenschaftschampagner Nicolas Feuillatte wird sehr wohlwollend besprochen, selbst die rare neue Cuvée 225 des Jahrgangs 1997 ist dabei, schafft aber -noch?- nur 89 Punkte. Schön wäre es gewesen, mehr über die Barriques zu erfahren, und warum ausgerechnet 225l-Fässer verwendet wurden. Der Holzeinsatz ist ja derzeit in der Champagne en vogue, so daß die einzige Tonnellerie dort gut zu tun hat, aber traditionell sind doch die 205l-Fässer…

Der andere große Genossenschaftschampagner, Jacquart, ist mit seiner ebenfalls seltenen Katharina vertreten, der Unterschied zur Allegra hätte etwas deutlicher herausgearbeitet werden können, andererseits ist es natürlich weniger Herrn Eichelmanns Verpflichtung und Programm, über das Portfolio der Champagnerhersteller zu philosphieren, als vielmehr, das Resultat am Gaumen zu kommunizieren. Dennoch: der Brut Tradition hätte zusammen mit dem Brut Mosaique verkostet werden können, um zu sehen, wie sich Jacquart den Unterschied zwischen Großflächenchampagner und Fachhandelscuvée nun vorstellt.

Jacquesson, eine der Perlen der Champagne, gibt das Degorgierdatum auf dem Rückenetikett an, was nicht nur Herrn Eichelmann, sondern überhaupt jeden mündigen Kunden freut. Gerade bei Jacquessons Extra Brut Dégorgement tardif 1989 wäre es deshalb schön gewesen, das Degorgierdatum zu erfahren, sonst macht ja die ganze Übung nur eingeschränkt Sinn.

Daß Krug mit lobenden Worten erwähnt wird, ist fast selbstredend. Über den Clos de Mesnil hätte man trotzden noch ein paar Zeilen verlieren können.

Als Entschädigung gibt es eine umfangreiche Notizensammlung auch zu Lansons älteren Jahrgängen und nur wenig später erfreut sich das sehr qualitätsbewußte Haus Larmandier-Bernier einer eingehenden Prüfung seiner Kollektion, die mit großem Hallo gern angenommen und von Eichelmann für seine Verhältnisse nachgerade üppig belobigt wird. Viele Smileys zeigen dankenswerter Weise an, daß es hier auch wirklich großartige Schnäppchen zu machen gibt. – Wenn man auf sehr trockene Champagner angespitzt ist. Liebhaber der saftigeren, fruchtbetonten Champagner werden gewiß da und dort ihre Schwierigkeiten mit den Empfehlungen aus dem Werk haben, sollten aber den Mut finden, auch Weine wie z.B. Forget Brimonts Brut Premier Cru zu probieren, der zwar vergleichsweise bescheidene 86 Punkte bekommen hat, für sein kleines Geld aber dennoch gehörigen Trinkspaß bietet. Wer Eichelmanns Weinsprache und seinen Gaumen einigermaßen nachvollziehen kann, wird also auch dann vorzüglich beraten, wenn er nicht zur Mineralfraktion gehört.

Ein schönes Beispiel für einen empfehlenswerten Hersteller finden wir unter Leclerc-Briant oder auch bei Marie-Noelle Ledru, womit gleich auch schon einer der allertoppsten Geheimtips der Champagne ausgeplaudert ist. Die Kollektion ist schlicht phänomenal und wer nach Ambonnay fährt, darf sich eine Verkostung dort nicht entgehen lassen.

Der mittlerweile gigantische Hersteller G.H. Martel mit dem charakteristischen Adler auf dem Etikett hätte, da er eine beachtliche Reihe auch gut trinkbarer Champagne anbietet, die freilich alle nicht so wahnsinnig originell sind, etwas tiefer ausgelotet werden können.

Perrier-Jouets momentane Schwächephase wird konsequent abgestraft, die Belle Epoques landen nicht da, wo Pernod-Ricard sie möglicherweise gern sehen würde. Die in Deutschland seltenen Jahrgangschampagner von Perrier-Jouet und der mittlerweile nur als jahrgangsloser Roséchampagner angebotene Blason halten sich auch eher zurück. Eichelmann legt den Finger in eine ziemlich offene Wunde, hoffen wir, daß sich etwas tut!

Pierre Peters, einer der favourites in Frankreich und besonders stark in USA, dümpelt mit seinem sehr fordernden Stil leider nur um 87 Punkte, das liegt vielleicht auch daran, daß er die Weine wegen des hohen Marktdrucks zu früh freigibt. Eichelmann hat das Problem scheinbar zur Sprache gebracht, jedenfalls wird der Leser mit der Aussicht auf spätdegorgierte Champagner aus dem Hause Peters getröstet, die aktuellen Jahrgänge lassen ahnen, daß da Großes auf den Markt zukommt.

Die anderen großen Ps, nämlich Philipponnat, Piper-Heidsieck, Pol-Roger und Pommery fehlen natürlich nicht, schade allerdings, daß der mittlerweile ausnehmend große Winston Churchill 1995 so sparsam bepunktet wurde. Auch über Notizen zum 92er Clos des Goisses hätte man sich sicher gefreut. Und daß nur ältere Louisen verkostet wurden, ist auch etwas bedauerlich: 1987 und 1989 sind fast nicht mehr zu bekommen, die aktuelle Louise ist 1998, so daß wenigstens 1990 oder 1995 hätten verkostet werden können.

Mit Prévost ist dann wieder ein Erzeuger dabei, der 100% Pinot Meunier auf die Flasche bringt, und das mit großen Erfolg, wie es scheint. Zusammen mit Ledru ein must have.

Warum gegen Ende der 1990er Dom Ruinart Rosé 1990 mit 88 Punkten abgewatscht wird, ist mir nicht klar, da ich den Champagner anders kenne. Es folgen noch sehr gut nachvollziehbare Notizen zu einigen anderen Häusern, darunter Salon, Selosse, Tarlant, aber auch Taittinger als feststehende Größe, leider fehlt eine Notiz zum Comtes de Champagne Rosé; auch über den Prélude hätte noch etwas geschrieben werden können, zumal Taittinger gerade kräftig an der Kollektion werkelt.

Der Führer hat, da er sich auf wenig über 100 Seiten erstreckt, sicher seine Schwächen. Dem steht aber die titanische Arbeit gegenüber, die wichtigsten am Markt verfügbaren Champagner verkostet und in ein nachvollziahbares, klares Punkteschema gebracht zu haben, das durch außergewöhnlich sachnahe Weinansprache den kleinen Champagnerführer Eichelmanns zum derzeit besten Einkaufs- und Verkostungshelfer am Markt macht.

Gerhard Eichelmann
Champagne – 800 Champagner bewertet und kommentiert
1. Auflage, Mondo, Heidelberg, 2005
ISBN: 978-3-938839-11-2
12,90 EUR


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1 Kommentare

  1. Spiritman

    Danke für die ausführliche und informative Rezension!

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