Entkorkt – Wissenschaft im Champagnerglas

Die Elsevier GmbH hat uns heuer über den Spektrum Verlag eine deutsche Ausgabe von Uncorked – The Science of Champagne aus dem Jahr 2004 beschert. Prof. Gérard Liger-Belair von der Universität Reims Champagne-Ardenne entführt den lernwilligen Leser darin in die Welt der physikalischen Chemie, und erklärt, wie das Blubbern in die Flasche kommt, resp. ins Glas.

Gäbe es nicht bereits die George-Miller-Story über Elementarteilchen und Blasenbildung in Christian Göldenboogs Champagner-Buch von 1998, wäre das deutsche Publikum auch völlig unverbildet. So aber stößt der eigenwillig gestaltete, dabei ganz wertig ausgestattete und mit einem feschen Schutzumschlag versehene Band bei seiner Käuferschaft wohl nicht mehr in eine echte Wissens-, sondern nur noch in eine mittlere Gedächtnislücke.

Die aber füllt der Champagnerphysiker mit der gleichen Leichtigkeit und Nonchalance auf, mit der geübte Champagnerpatriarchen einer Verkostungsrunde einhändig aus der Dreiliterflasche einschenken, ohne dabei zu kleckern.

In einer kleinen Exposition wird die Entstehungsgeschichte des Champagners nachgezeichnet, wobei die naturgemäß französischen termini technici der Weinbereitung einprägsam kursiv gesetzt sind, das gleiche gilt im weiteren Verlauf für physikalischen Begriffe, wobei eine konsequentere Handhabung wünschenswert gewesen wäre. Auch eine Skala mit den Süßegraden von brut bis doux wäre für die nächste Auflage wünschenswert.

Die Geburt eines Bläschens im Wege der nichtklassischen heterogenen Nukleation wird dann aber derart feinfühlig und anschaulich erklärt, daß dem vom erkenntnisunterstützenden Bildmaterial zusätzlich faszinierten Leser die Partykonversation künftig nicht nur sehr leicht fallen dürfte, sondern nachgerade zum Kinderspiel werden wird. Phänomene, über die man sich im Rahmen jeder Veranstaltung, die von Schäumern begleitet wird, trefflich unterhalten kann, werden in diesem an einem Kaffeenachmittag bequem wegzuschmökernden Buch verständlich gemacht. Der Weg des Bläschens zur Oberfläche und die dabei auftretenden hydrodynamischen Wechselwirkungen sind dabei genauso anschaulich erklärt, wie das abschließende spektakuläre Platzen der Bläschen. Die naturwissenschaftlich gepäppelte Kenntnis vom Wesen der Bläschen bringt dem Leser einen unschätzbaren Vorteil beim Austausch in Internetforen oder bei Verkostungsrunden und eignet sich zudem als Einschätzungshilfe bei der Konfrontation mit abgestandenen Champagnergläsern oder älteren Flaschen.

Das Bild- und Skizzenmaterial ist sorgfältig zusammengetragen, nur in Abbildung 5.3 fehlt ein schwarzer Vergleichsbalken, der die Größenverhältnisse hätte deutlich machen sollen. Glossar, Literaturverzeichnis und Index sind eher knapp, aber ausreichend gehalten. Das Literaturverzeichnis ist dabei für den deutschen Leser wahrscheinlich am wenigsten wertvoll, da überwiegend auf englische oder französische Schriften verwiesen wird; lobenswert ist aber die Angabe auch von Internetquellen, wobei im Gegensatz zu Physicstoday z.B. für das Magazin Nature ein Abonnement nötig ist. Ob es den Rahmen gesprengt hätte, auf die Réaction Maillard einzugehen, kann ich natürlich nicht beurteilen, erfreulich wäre es jedenfalls gewesen – aber auch das nur als Anregung für eine nächste Auflage.

Entkorkt! ist empfehlenswert für alle Freunde überschäumender Freude und alltagsnaher Anwendung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse. Weihnachten steht vor der Tür und diese Buch kommt da gerade recht.

Gérard Liger-Belair
Entkorkt! Wissenschaft im Champagnerglas
Elsevier/Spektrum Akademischer Verlag
1. Auflage, München, 2006
ISBN: 978-3-827-41666-7
20,00 EUR


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