Kleiner Ausflug in die Welt des Fleisches…

Der nachfolgende Text ist eine Pressemitteilung aus Mannheim für ein Fest auf dem dortigen Schlachthof. Der umfangreiche Artikel wirft ein Schlaglicht auf den Zustand der Branche und auf die Bemühungen, Fleisch wieder als Genussmittel mit hoher Qualität zu etablieren. Mit diesem Image möchte man den Trend zum Billigfleisch abwenden, der zu absurden Bedingungen bei der Tierhaltung und -Verarbeitung geführt hat.

 Wissenschaftler kämpft für Fleisch als Kulturgut

Die Geschichte des Fleischs ist eine Million Jahre alt. Sie beginnt mit der Geschichte der Menschheit. Fleisch war der dominierende Teil der Nahrung, Fleisch wurde verehrt, um Fleisch wurde gekämpft. Jetzt, im dritten Jahrtausend nach Christus, droht Fleisch diesen Status zu verlieren. Es wird zu schnell produziert, zu schnell verarbeitet und zubereitet und es wird zu schnell, zu hastig gegessen. Diesem Werteverfall – dem „System Fastfood“ – hat Professor Hirschfelder jetzt den Kampf angesagt: „Fleisch ist uns durch die industrielle Produktion fremd geworden. Das müssen wir umkehren!“

Im Fleischversorgungszentrum Mannheim wird wie in kaum einem anderen Betrieb das Fleisch nicht als bloße Ware gesehen, sondern als wertvolles Nahrungsmittel und Kulturgut. Am 30. Juni 2007 (ab 12 Uhr) steht das Nahrungsmittel Fleisch im Mittelpunkt und Verbraucher können in die Welt des Fleisches eintreten – beim größten Schlachthoffest im Südwesten.

Die lange Geschichte des Fleischs in 60 Sekunden:

– vor 1 Million Jahren: Der Homo Heidelbergensis ernährt sich hauptsächlich von Jagdwild.

– vor 12.000 Jahren: Die Menschen werden sesshaft, machen Wildtiere wie Schaf und Ziege zu Nutztieren.

– 7000 v. Chr.: Menschen halten sich erstmals Schweine, schlachten und verzehren sie.

– 6000 v. Chr.: Jetzt stehen auch Rinder auf dem Speiseplan.

– 600 n. Chr.: Große Fleischmengen werden bei Festgelagen üblich.

– 1400 n. Chr.: Weidewirtschaft und Viehandel werden „professionalisiert“, der Fleischpreis fällt. Auch Arme können sich jetzt Fleisch leisten.

– 1716: Die Kartoffel verdrängt Fleisch als Hauptnahrungsmittel in Deutschland.

– 1885: Auf einem Jahrmarkt bei Buffalo im US-Staat New York wird der erste Hamburger verkauft.

– 1948: Die Gebrüder Mick & Mack McDonald eröffnen in San Bernardino ihr erstes Restaurant.

– 1949: Jeder Deutsche verzehrt im Schnitt 35 Kilo Fleisch pro Jahr

– 1955: Unter Adenauer beginnt die „industrielle Viehwirtschaft“. Der Fleischkonsum steigt rapide an.

– 1971: McDonald’s eröffnet seine erste Filiale in München.

– 2000: Die „BSE-Krise“ führt zu einem Einbruck beim Rindfleischverzehr. Die Verbraucher steigen auf Geflügel und Schweinefleisch um.

Und heute? In der Mittagspause schnell eine Currywurst oder einen Burger gegen den Heißhunger: Professor Gunther Hirschfelder kann darüber nur den Kopf schütteln. Der Bonner Volkskundler kämpft für eine andere Einstellung der Menschen zum Fleisch. „Eine Mahlzeit mit Fleisch muss immer eine Festmahlzeit sein.“ Heute könnten die Menschen aus der Weisheit der Vorfahren lernen: Fleisch hatte und hat in allen Kulturen stets einen hohen Stellenwert. Es sicherte den Fortbestand der Familie, symbolisierte Energie und Macht. Entsprechend wurden die Tiere verehrt, und häufig waren Schlachtungen sogar Opferhandlungen.

Diese respektvolle Haltung, die das hochwertige Nahrungsmittel und seine Herkunft wahrnimmt und schätzt, soll zum Nachdenken anregen. Der Wissenschaftler von der Abteilung Kulturanthropologie und Volkskunde der Universität Bonn legt den Finger in die Wunde der „Geiz-ist-Geil-Mentalität“. Diese ist in Deutschland besonders bei Lebensmitteln weit verbreitet – Tendenz trotz anziehender Wirtschaft steigend.

Während über tausende von Jahren in der Geschichte der Menschheit besonders fettreiche Fleischstücke gefragt waren, treibt der heute verbreitete Hang zum Muskelfleisch seltsame Blüten. Bei südamerikanischen Rindern zum Beispiel, die für den europäischen Markt gezüchtet und gehalten werden, lohnt sich nur der Verkauf von Filets und Hüftknochenstücken. Der Rest wird meist einfach verbrannt. „Das ist eine unglaubliche Perversion!“

Professor Hirschfelder weiter: „Fleisch wird heute im Durchschnitt viel zu billig verkauft.“ Ein Kilo Fleisch für drei Euro? „Das ist schlicht absurd!“ Entsprechend gering würde das Fleisch dann auf dem Teller geschätzt. „Viele Verbraucher haben heute ein schlechtes Gewissen, wenn sie Fleisch essen. Das darf nicht sein.“ Zurückzuführen ist dieses Unbehagen oft auf Berichte über unhaltbare Mast- und Schlachtbedingungen in unseriösen Betrieben. Die Wahrscheinlichkeit, ein Schnitzel zweifelhafter Herkunft auf dem Teller zu haben, wächst bei Fleisch zu Discounter- und Billigpreisen.

Stefan Kampa, Geschäftsführer des Fleischversorgungszentrums in Mannheim, kann das nur bestätigen: „Nur Fleisch, das keine langen Wege hinter sich hat, nach modernsten Bedingungen geschlachtet wird, kann wirklich gesundes, hoch qualitatives Fleisch sein.“ So ist man nur mit dem Kauf dem Metzger auf der „sicheren Seite“, der sein Fleisch von einem Schlachthof bezieht, der sich wie das Fleischversorgungszentrum in Mannheim höchsten Ansprüchen an Qualität und Frische verschieben hat. Stefan Kampa stimmt mit Professor Hirschfelder überein: „Fleisch ist nicht einfach nur ein Nahrungsmittel, das man in sich hineinstopft. Fleisch ist ein Kulturgut!“

So hielten das auch unsere Vorfahren. Professor Hirschfelder erläutert: „Fleisch war in der Geschichte der Menschheit Teil der Kultur, hatte vielfältige symbolische Bedeutungen.“ Schlachtungen waren in griechischer und römischer Kultur ebenso Opferhandlungen, wie es die Schächtung aus religiösen Gründen noch heute ist. Das Schlachten der Tiere hatte eine sakrale Funktion.

Das Tier war in eine bestimmte Funktion im Kosmos eingebettet – so wurde es wahrgenommen. Entscheidend für Hirschfelder: Die Menschen nahmen das Tier als Lebewesen wahr, das Opferritual verankerte diese Tatsache tief im Bewusstsein.

Heute ist diese Bindung an den Kreislauf von Leben und Tod weitgehend verloren gegangen. Gunther Hirschfelder möchte das Rad der Geschichte aber keineswegs zurückdrehen: „Klar, wir leben in einem Industrieland. Aber wir brauchen Schlacht- und Mastbetriebe, in die wir guten Gewissens auch mit Schulklassen hineingehen können.“

„Wir sind ein solcher Betrieb“, versichert Stefan Kampa nicht ohne Stolz: „Gerne laden wir Schulklassen zu uns ein. Die Schüler können sich selbst davon überzeugen, dass allen Mitarbeitern bewusst ist, dass Tiere Lebewesen sind und respektvoll mit dem Nahrungsmittel Fleisch umgegangen wird.“

Professor Hirschfelder erzieht seine Tochter Eva-Maria, zwei Jahre alt, ganz in diesem Bewusstsein. „Sie und wir müssen lernen, die Tiere als Lebewesen wahrzunehmen und das Fleisch zu achten, wir müssen uns vor Ort überzeugen, was in unserer Landwirtschaft und in den Schlachthöfen geschieht.“

Und das setzt auch – wie es beim Fleischversorgungszentrum Mannheim praktiziert wird – die Mast und Schlachtung in direkter räumlicher Nähe der Verbraucher voraus. Mit wenig Aufwand sei angesichts des großen Wohlstands der Gesellschaft doch viel zu erreichen: „Wir brauchen heute für eine lebenswerte Welt einen bewussten Umgang mit Fleisch und den Tieren.“

Den Umgang mit Fleisch lernen: Am 30. Juni ab 12 Uhr beim größten Schlachthoffest im Südwesten

Das Fleischversorgungszentrum öffnet seine Pforten für alle, die Appetit auf Fleisch haben und auch besonders für jene, die mehr über dieses Nahrungsmittel, das Kulturgut, wissen wollen. In einem Fleischkolleg informiert Experte Gerhard Oesterle über Umgang, Lagerung und die Zubereitung von Fleisch. Verbraucherinformation wird groß geschrieben, aber ebenso die Familienunterhaltung.


Anzeige:

Kategorie Feinschmeckernews

Chefredakteur Feinschmeckerblog. Viele Jahre als Reporter und Online-Redakteur mit Gastro & Hospitality gearbeitet. Liebt Fine Dining. Gastrotipp: Perú!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.