In Salzburg kann man in diesem Monat einen Ausflug in die niederländische Spitzengastronomie genießen. Im Restaurant Ikarus des Hangar 7, das monatlich wechselnd internationale Kochstars einlädt, ihre aktuellen Produktionen zu präsentieren, steht nämlich Jonnie de Boer am Herd, Chef des De Librije, in Zwolle NL. Hier ein Porträt des „Aufsteigers der Aufsteiger“.
In unauffälliger Unaufhaltsamkeit haben sich die Niederlande in den letzten Jahren zu einer interessanten Destination für Feinschmecker entwickelt. Vor fünf Jahren hielt der Guide Michelin noch kein niederländisches Restaurant für exquisit genug, mit drei Sternen geschmückt zu werden. 2006 waren es schon drei – damit haben die Niederländer genau so viele Drei-Sterne-Chefs wie die traditionell groß aufkochenden Belgier und die zuletzt so hoch gelobten Briten. Einer der Aufsteiger in den niederländischen Gourmet-Olymp ist Jonnie Boer, der im Juli im „Ikarus“ als Gastkoch die niederländische Art des Hochgenusses präsentieren wird.
Jonnie Boer gilt als populärster Koch der Niederlande, und zwar nicht wegen der drei Michelin-Sterne, sondern wegen der bemerkenswerten Entspanntheit, mit der er seinen Auszeichnungen begegnet. Boer ist ungeachtet seines Erfolgs und des damit ausgelösten Medien-Rummels bodenständig geblieben. Der 40-Jährige, ein Kind vom Lande, lernte drei Jahre lang in Amsterdam, ehe er dem Großstadtleben wieder den Rücken kehrte, um in Zwolle als Koch zu arbeiten – im „De Librije“ (Die Bibliothek), in dem er schon als Lehrling gearbeitet hatte. „Ich fühle mich hier wohl, und hier gehöre ich auch hin“, meint Boer. Für Lehrjahre oder Gastbesuche bei großen Meistern in aller Welt – für angehende Sternenritter eigentlich ein Muss – hatte Boer keine Zeit. Schließlich musste er sein eigenes Restaurant zuerst um-, dann aufbauen. Und wurde mit Erfolg belohnt: 1993 wurde ihm der erste Michelin-Stern, 1999 der zweite und 2004 der dritte verliehen; zudem gab der Gault Millau dem „De Librije“ großartige 19,5 von 20 möglichen Punkten.
Boer gehört zu den Köchen, die tief in ihrer Region verwurzelt sind. Das gilt auch für seine Küche, vor allem für die Rohstoffe. Der Starkoch hat sich ein lokales Netzwerk an Produzenten aufgebaut, das ihn mit stets frischen Produkten versorgt. Aber genauso wie „De Librije“ kein Wirtshaus ist, sondern ein sehr vornehmes Restaurant, sind die Produkte nicht frugal, sondern von erlesenster Qualität und entsprechend kostspielig. Ob er ein Lamm aus Frankreich oder aus dem Nachbardorf kaufe, spiele preislich kaum eine Rolle, meint Boer. „Aber das hiesige Lamm kann ich selbst aussuchen und kann daher auch meinen Gästen mehr Informationen geben – weil ich alles über das Lamm weiß.“ Mit den regionalen Zutaten kreiert Boers Genie Gerichte wie Tatar von Langoustinen mit Sherry, Joghurt, eingemachten Gurken an warmem „Pata Negra“-Schinken mit jungem Spinat und altem Bauernkäse oder Seebarsch mit wilden Austern, Pastinakenmousse an Zitronengras-Sauce mit Curry und Kokos. Feinschmecker sind begeistert und beschreiben Boers Kochstil als vielseitig, gewagt, furchtlos. Er selber meint: „Einfach, ehrlich, natürlich, pur.“ „Pure“ hieß auch sein erstes Kochbuchs, „Purer“ das zweite. Wie das dritte heißen wird? „Purest“, natürlich.
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